Nebst der Region um Bormio sind für die Alpenetappen des Giro d’Italia immer wieder die Dolomiten Ort des Geschehens. Die Reise ins Südtirol war für mich ein Wiedersehen und Auffrischen von Kindheitserinnerungen. Ich war einquartiert auf dem Campingplatz oberhalb von Corvara. Nicht unbedingt empfehlenswert: Man wird als Gast knapp geduldet; zahlen soll man bitte sehr, aber ansonsten ist alles verboten, was man verbieten kann… Nichtsdestotrotz sehr schön gelegen.
Am ersten Tag stand die klassische Sella-Runde auf dem Programm, denn diese konnte ich gleich vor meinem Zelt starten. Sie führt über 4 Pässe rings um das Sella-Massiv. Gleich in Corvara beginnt der Aufstieg zum Pass Campolongo (1875 m ü. M.). Einige wenige Kehren gibt es gleich über der Ortschaft, dann ist die Passhöhe schnell erreicht.
Steile Abfahrt nach Arabba und gleich wieder Aufstieg zum Pordoi-Joch. Trotz der Höhe von 2239 m ü. M. erreichte ich den Pass in einem guten Rhythmus. Sehr schöner Aufstieg in einem weiten, offenen Tal!
Nach einigen Kehren Abfahrt biegt die Strasse ab wieder hoch zum 3. Pass, dem Sella-Joch (2240 m ü. M.). Hier litt ich am meisten, die Beine spürten die beiden vorangegangenen Aufstiege. Während der Fahrt hörte ich immer wieder mal die Rufe der Kletterer, die in den Wänden des Sella-Massivs allgegenwärtig sind.
Nach diesem wunderschönen Ausblick war ich wieder motivierter, mit dem Passo Gardena (Grödner Joch, 2121 m ü. M.) den letzten Pass der Runde in Angriff zu nehmen. Diesen kannte ich ja schon von der Anreise.
Damit war alles geschafft. Der Rest bestand nur noch aus Abfahrt.
Der nächste Tag war zu Ehren der Schweizer Radsportlegende Beat Breu, der am Rifugio Auronzo (2320 m ü. M.) heldenhaft eine Giro-Etappe gewonnen hatte. Der Anblick der 3 Zinnen ist der Inbegriff der Dolomiten schlechthin (Leider kann ich das klassische Foto der 3 majestätisch in den Himmel ragenden Felszähne hier nicht zeigen, da sich deren Gipfel im Gewölk versteckt hatten). Grandiose Kulisse für einen erbarmungslosen Aufstieg! Die Strasse gibt von Anfang an unmissverständlich den Tarif an, als wollte sie einen daran hindern, weiterzufahren. Gleich nach dem Hotelort Misurina fährt man in eine Wand hinein; zwar nicht allzu lang, aber demoralisierend. Eine Zwischensenke, in der die Mautstation für die Autos steht, sorgt für etwas Erholung, bis die Strasse wieder sehr steil wird und es auch durchgehend bleibt bis zum Ende der Strasse beim Rifugio am Fusse der Zinnen.
Der Ausblick vom Rifugio war schlichtweg umwerfend, verstärkt noch durch eine gespenstische Stimmung am Himmel.
Statt Klassikern wie der Falzarego-Pass oder der Valparola-Pass, die ich schon mit dem Auto in der Anreise zu den 3 Zinnen überquert hatte, entschied ich mich am nächsten Tag, einen Geheimtipp unter die Räder zu nehmen, und fuhr ins Fassatal. Da gibt es eine Stichstrasse hinauf zum Rifugio Gardeccia inmitten der Rosengartengruppe. Die Szenerie ist wildromantisch. Die Strasse sollte eigentlich autofrei sein, aber ich wurde trotzdem immer wieder mal von einem Auto überrascht, und dies nicht nur vom Shuttlebus zum Rifugio. Die Strasse wird gegen oben immer steiler, bis zu erbarmungslosen 16%.
Am letzten Tag wollten meine Beine nicht mehr Radfahren. Stattdessen machte ich eine Bergwanderung vom Campingplatz aus. Ein Kontrastprogramm, das gut tat.